Blog

Smart-Meter-Anbindung: Mithilfe von LPWAN-Technologien auf die neue FFVAV-Verordnung reagieren

Seit Oktober 2021 gilt die neue “Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte” – kurz FFVAV – die besagt, dass alle neu eingebauten Fernwärme- und Fernkältezähler, aus der Ferne auslesbar sein müssen. Wie die Architektur dahinter aussehen kann und welche Technologien zur Anbindung optimal geeignet sind, erfahren Sie in diesem Blogartikel.

Ein Artikel von Robin Telaar und Christopher Krafft

Lesezeit: ca. 7 Minuten

Heizungsrohre entlang eines Gebäudes als Beispiel für die FFVAV

Seit dem 05. Oktober 2021 gibt es die neue FFVAV. Damit reagiert die Bundesregierung auf die europäischen Vorgaben der Energieeffizienz-Richtlinie, denn mit der “Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte” wird das zukünftige Ablesen von Zählern geregelt. Digitale Ablesungen von Zählern sind mittlerweile nichts Neues mehr, jedoch galten diese bisher nicht für die Fernwärmeversorgung und die Ablesung von Wärmemengenzählern. Grob zusammengefasst enthält der aktuelle Entwurf folgende Änderungen:

  • Fernauslesbare Wärmemengenzähler werden Pflicht: Wärmemengenzähler die ab dem 05.10.2021 neu verbaut werden, müssen aus der Ferne auslesbar sein. Darüber hinaus muss jeder bis zum 31.12.2016 verbaute Wärmemengenzähler fernauslesbar sein.
  • Monatliche Verbrauchsdaten: Ab dem 01.01.2022 müssen Kunden und Kundinnen Abrechnungs- bzw. Verbrauchsdaten monatlich zur Verfügung gestellt werden.
  • Abrechnungssysteme: Die erfassten Messdaten müssen so aufbereitet sein, dass sie in Abrechnungssystemen genutzt werden können.

Vorteile fernauslesbarer Zähler

Die Verordnung schreibt vor, dass die Wärme- und Kälteversorger ihren Kunden monatlich eine Abrechnung zur Verfügung stellen müssen. Dass bedeutet im Umkehrschluss, dass mindestens eine monatliche Ablesung zu erfolgen hat. Ein höherer Ableseintervall macht jedoch durchaus Sinn, denn umso öfter Sie die Daten des Netzes abfragen desto mehr Erkenntnisse können gewonnen werden. Beispielsweise kann durch eine tägliche Abfrage, schon erheblich bessere Rückschlüsse auf eventuelle Leckagen gezogen werden als bei wöchentlichen oder gar monatlichen Intervallen. Je kleiner der Abtastintervall gewählt wird, desto größer ist der Mehrwert:

  • Leckagen werden früher erkannt
  • Lasten können besser gesteuert und verteilt werden
  • Wärmeverluste werden schneller detektiert
  • Fehlerhafte Einstellungen im System können schnell erkannt und behoben werden
  • Die Ablesung umfasst weniger Aufwand und spart entsprechend Zeit
  • Es wird ein Abrechnungssystem geschaffen, das den Fokus auf Energieeffizenz legt

Technologischer Aufbau

Architektur Zähleranbindung für die FFVAV

Abbildung 1: Architektur Zähleranbindung

Damit die Daten der Zähler genutzt werden können, müssen diese zunächst erhoben und verarbeitet werden. Die Anbindung und Verarbeitung der Daten kann man grob in drei Bereiche unterteilen:

Technische Anbindung: Auf dieser Stufe muss entschieden werden, welche Technologie zur Übertragung der Daten eingesetzt werden soll.

Datenverarbeitung: Hier werden die Daten von verschiedenen Microservices entgegengenommen, aufbereitet, gespeichert und für diverse Schnittstellen bereitgestellt.

Fachliche Anbindung: Damit die erhobenen Daten auch im vollen Umfang genutzt werden können, müssen diese natürlich an den jeweiligen Punkten zur Verfügung stehen. Das können beispielsweise Visualisierungs- oder Data-Analytics-Tools sein, aber auch die lokalen ERP-Systeme. Der Datenverkehr ist in beiden Richtungen interessant.

Auswahl der geeigneten Übertragungstechnologie

Bei der Auswahl der passenden Technologie gilt es zunächst zu prüfen, welche Hardwaretechnologien vorhanden sind, welche Abtastraten erzielt werden sollen und ob es schon Erfahrungen mit diversen Übertragungstechniken gibt. Hat man als Fernwärmeversorgungsunternehmen bereits erste Ideen oder kann man auf die Erfahrung aus bestehenden Projekten zurückgreifen? Und möchte man das Netz für die Datenübertragung selbst betreiben oder auf ein bereits bestehendes Netz zurückgreifen?

Um diese Fragen zu beantworten, sollte man sich das zu vernetzende Gebiet anschauen und die Abdeckung der in Frage kommenden Technologien prüfen. Falls man Betreiber eines eigenen Netzes sein möchte oder keine ausreichende Abdeckung im Anschlussgebiet herrscht, kann auf freie Funktechnologien wie LoRaWAN zurückgegriffen werden und die notwendige Infrastruktur selbst oder von Dienstleistern aufbauen lassen. Wenn eine ausreichende Netzabdeckung im Anschlussgebiet vorhanden ist und man das Netz nicht selbst betreiben möchte, bieten sich lizensierte Technologien wie NB-IoT an.

Beide Technologien wollen wir im Folgenden näher vorstellen.

Was ist LoRaWAN?

LoRa ist ein Funkstandard, der auf lizenzfreien Funkspektren basiert. Das darauf aufbauende Protokoll nennt sich LoRaWAN (Long Range Wide Area Network). LoRaWAN gehört zur Familie der LPWAN-Technologien, hierzu haben wir bereits einen Artikel veröffentlicht. Die Vorteile von LoRaWAN liegen in der großen Reichweite, der guten (Gebäude-)Durchdringung und dem geringen Energieverbrauch.

Um ein LoRa-Netzwerk aufzubauen, wird zunächst ein Sensor mit einem passenden LoRa-Modul benötigt. Darüber hinaus benötigt man ein Gerät, das die ankommenden Daten aus dem Sensor sammelt und über das Internet zur Weiterverarbeitung versendet – ein so genanntes Gateway. Von dem Gateway aus werden die Daten nun beispielsweise in eine IoT-Plattform geschickt, um dort weiter mit ihnen arbeiten zu können.

Mittlerweile findet man auch immer mehr LoRaWAN-Gateways, die von Städten, Kommunen oder Unternehmen bereitgestellt werden und zur Datenübertragung genutzt werden können.

NB-IoT

Als weitere LPWAN-Technologie (Low Power Wide Area Network) hervorzuheben ist NB-IoT (Narrowband-IoT), die im Funkspektrum von LTE operiert und einen Teil des LTE-Standards nutzt. NB-IoT ist dabei vor allem für jene Anwendungsfälle konzipiert worden, bei denen die Reichweite oder die Gebäudedurchdringung von LTE nicht ausreichend sind. Aufgrund dieser Eigenschaft sowie des geringen Energiebedarfs, der auch den Einsatz batteriebetriebener Geräte ermöglicht, ist NB-IoT prädestiniert für den Einsatz im „Smart Metering“-Umfeld.

Aufgrund der Einbettung in das LTE-Spektrum ist die Nutzung, wie bei herkömmlichem Mobilfunk, an einen entsprechenden Provider gekoppelt, wobei üblicherweise nur ein geringes Datenvolumen für einen längeren Zeitraum vorhergesehen ist (z.B. 1 MB/Jahr).

Auf Details hinsichtlich der Besonderheiten bei der Nutzung von NB-IoT sind wir auf unserem Blog bereits in einer eigenen Artikelserie eingegangen.

Vergleich Funktechnologien

Abbildung 2: Vergleich unterschiedlicher Funktechnologien, die im Kontext der FFVAV eingesetzt werden können. Einen Übersichtsartikel finden Sie ebenfalls im Blog

Erläuterung: + (hoch), (0) mittel, (-) niedrig

Sichere Anbindung an die Plattform

In Abhängigkeit vom jeweiligen Kommunikationsweg muss das für die Übermittlung der Daten an die Cloud einzusetzende Protokoll gewählt werden. Als verbreitete Protokolle, die gut in Verbindung mit den zur Verfügung stehenden Funktechnologien genutzt werden können, sind unter anderem MQTT-SN (MQTT for Sensor Networks), CoAP (Constrainted Application Protocol) sowie LWM2M (Lightweight M2M) hervorzuheben. Diese bieten eine hohe Flexibilität hinsichtlich der zu übertragenden Daten und erfordern lediglich einen geringen Overhead, wodurch die Menge der zu übertragenden Daten möglichst geringgehalten werden kann.

Zur Kommunikation mit der Cloud beziehungsweise mit eigenen Diensten ist es notwendig, einen auf das jeweilige Kommunikations- sowie Übertragungsprotokoll zugeschnittenen Endpunkt bereitzustellen. Daraufhin können die Daten in einem normalisierten Format zur internen Verarbeitung, beispielsweise an ein ERP-System, weitergereicht werden.

Wichtig ist, dass die Übertragung der Daten die durch das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) definierten Anforderungen im Hinblick auf Verschlüsselung erfüllt. Ein Aspekt, der sowohl bei der Auswahl eines „Smart Metering“- Geräts als auch der Implementierung der Cloud-Anbindung zu von Bedeutung ist.

Von der Datenspeicherung zum Mehrwert

Der Datentransfer in Richtung Cloud ist ein notwendiger Schritt, um weitere FFVAV-Anforderungen erfüllen zu können. Doch er birgt nebenbei auch Möglichkeiten für spannende neue Anwendungsfälle: Die interne Weiterverarbeitung der Daten ermöglicht die Umsetzung von Dashboards und Analytics-Applikationen, die sowohl dem Betreiber als auch dem Verbraucher wertvolle Einblicke hinsichtlich des Nutzerverhaltens schaffen können. Neben der bloßen Darstellung der Daten können auch auf Alerting basierende Use Cases, wie die Benachrichtigung des Anwenders bei überdurchschnittlichem Verbrauch, realisiert werden, um unerwünschten Mehrkosten frühzeitig begegnen zu können.

Generell wird eine beidseitige Transparenz geschaffen werden: Der Verbraucher kann, zum Beispiel via App oder Web-Anwendung, stets über seinen momentanen Verbrauch informiert werden und der Betreiber verfügt über aktuelle Messwerte aller Installationen. Eine Ausgangslage, die in weiterer Folge auch für KI-gestützte Analysen eingesetzt werden kann.

Diese so gesammelten Daten werden außerdem für die ab 1.1.2022 erforderliche Bereitstellung von Abrechnungs- sowie Verbrauchsinformationen benötigt, welche Verbrauchern monatlich zur Verfügung gestellt werden muss.

Ein im Fall smarter Stromzähler relevanter Aspekt ist die Möglichkeit der Interaktion mit dem Gateway „aus der Cloud heraus“. Da sich die Struktur des Stromnetzes in den letzten Jahren gewandelt hat und vermehrt lokal über private Photovoltaikanlagen Strom ins Netz eingespeist wird, kann es aus Gründen der Netzstabilität erforderlich sein, gegebenenfalls Anlagen zu drosseln oder vom Netz zu nehmen, wenn der momentane Verbrauch zu stark absinkt. Ein solcher Eingriff ist über diesen Rückkanal möglich.

Fazit

Der Einsatz von fernauslesbaren Zählern bildet zahlreiche Mehrwerte ab. Als Fernwärmeversorgungsunternehmen erhalte ich z. B. ein besseres Verständnis über den Zustand meines Netzes und der Energieversorgung. So können beispielsweise Lasten besser verteilt und Wärmeverlust schneller detektiert werden. Die Ablesung wird einfacher und weniger zeitintensiv und auch der Abrechnungsprozess kann automatisiert werden. Gleichzeitig erhalten Kunden und Kundinnen durch die monatlich zu Verfügung gestellten Abrechnungs- und Verbrauchsdaten einen besseren Überblick und haben so die Möglichkeit, energieeffizient zu haushalten.

Bei der Konzeption und Implementierung gilt es jedoch einige Herausforderungen zu beachten, wie die Wahl der passende Technologie gewählt werden und Implementierung eines geeigneten Sicherheitskonzeptes – Aspekte, bei denen wir Sie gerne unterstützen.

Dieses Thema interessiert Sie? Nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

Robin Telaar ist IoT Solution Consultant bei der com2m

Robin Telaar ist IoT-Solution-Consultant bei der com2m.

Weitere Themen für Sie

IoT Entwicklung im Mittelstand

Schlanke IoT-Entwicklung im Mittelstand. Ein Kurzleitfaden.

Kürzere Lebenszyklen, agile Entwicklungsmethoden, disruptive Geschäftsmodelle, IoT-Clouds. Unternehmen sehen sich aktuell mit diversen neuen Begriffen konfrontiert, die sich häufig völlig von bisherigen Themen unterscheiden. Doch obwohl es sich bei diese Begriffen zum Teil um ganz unterschiedliche Fachdisziplinen handelt, greifen sie sehr stark ineinander. Der folgende Beitrag soll ein wenig Licht ins moderne Dunkel bringen und Beispiele aufzeigen, inwiefern die Zusammenarbeit mit der com2m aussehen kann.

Weiterlesen >