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Wir können jetzt auch IoT! – Oder: Wie Sie erfolgreich Ihre Nutzer vergessen

Die Technologie- und IoT-getriebene Innovationswelle ermöglicht es Unternehmen, durch nutzerzentrierte Ansätze wie Design Thinking oder Lean Start-Up, bestehende oder potenzielle neue Kunden besser kennenzulernen. Daraus ergeben sich Lösungen, die Kunden wirklich wollen und brauchen und mit Hilfe derer sich Unternehmen vom Wettbewerb abgrenzen können.

Ein Artikel von
Phil Hermanski

Lesezeit: ca. 4 Minuten

IoT Projekt Planung bei der com2m

Doch sind es gerade die innovationstreibenden Technologien, wie z. B. IoT, die dazu verleiten, Produkte und Lösungen allein technologiegetrieben zu erweitern oder neu zu entwickeln. Technische Features, die der Anbieter als sinnvoll oder „cool“ betrachtet, werden so zu häufig mit wertvollen, nutzbringenden Lösungen für den Kunden verwechselt. Unternehmen laufen in die technologieverliebte Lösungsfalle und erleiden schmerzliche, aber vermeidbare Rückschläge in ihren (IoT-)Innovationsprozessen. Doch warum ist das so?

Das Risiko der technologieverliebten Lösungsfalle

Unternehmen, die regelmäßig erfolgreiche Produkte und Services im Rahmen ihres Kernportfolios auf den Markt bringen, verfügen oft über ein tiefes Wissen zu Branchen- und Marktmechanismen. Genau dieses Wissen birgt im Kontext neuer Technologielösungen jedoch die Gefahr, die Nutzer und ihre Bedürfnisse zu vernachlässigen, da man deren genaue Prozesse, Herausforderungen und Wünsche rund um das eigene Kernportfolio aus den Augen verloren hat – oder im Gegenteil glaubt, sie detailliert zu kennen. Auch im „neuen“ IoT-Kontext können somit fatale Schlüsse in Bezug auf das „Was brauchen meine Nutzer“ gezogen und Lösungen entwickelt werden, die durch eine Mischung aus zu oberflächlichem Wissen und Technologiefokussierung beeinflusst sind.

Selbstgemachte Probleme

Mitunter neigen Unternehmen also dazu, IoT-Produkte an ihrem Nutzer vorbeizuentwickeln – und das nach bestem Wissen und Gewissen, glauben sie doch, die Nutzerbedürfnisse, abgeleitet aus Markt- und Branchenwissen sowie dem „alten“ Kernportfolio, genau zu kennen ohne diese Annahme jedoch zu verifizieren.

Diese Vorgehensweise führt zu folgenden Schwierigkeiten:

  1. Unternehmen schauen sich Lösungen bei einem Wettbewerber oder branchennahen Unternehmen ab, der ggf. nicht (viel) mehr IoT-Lösungserfahrung besitzt als das Unternehmen selbst. Anstatt also die Chance zu ergreifen, Kunden- und Nutzergruppen im Detail zu verstehen und darauf basierend zu bedienen, orientiert man sich lieber an häufig noch unvalidierten technologischen Lösungen (anderer), deren Potenzial sich ebenfalls noch nicht bewiesen hat. Die Lösungen sind demnach oftmals nicht nur unausgereift, Unternehmen begeben sich zusätzlich und völlig ohne Druck in eine Konkurrenzsituation („Red Ocean“).

  2. Im schlimmsten Fall werden durch diese „Copy & Paste“-Lösungen unterschiedliche Nutzergruppen, die sich oberflächlich ähneln, mit den gleichen Lösungsansätzen adressiert. Die Gefahr in die falsche Richtung zu laufen, steigt dadurch immens. Diese Art der schnellen Copy & Paste-basierten Entwicklung hat nichts mit moderner, agiler Innovationsmethodik zu tun, setzt man sich doch mit dem Kunden gar nicht wirklich auseinander – einem absoluten Kernaspekt moderner Herangehensweisen wie z. B. Lean Start-Up.

  3. Werden auf diese Art und Weise Produkte entwickelt, wird es schwieriger, das neue oder zusätzliche Produkt zu monetarisieren. Dies hat zum einen den Grund, dass kein Kunde für eine technisch ausgefeilte Lösung zahlt, die seine Bedürfnisse nicht befriedigt. Zum anderen fehlt dem Unternehmen das Wissen darüber, welchen Mehrwert die Lösung dem Kunden eigentlich bietet und was bzw. wie er daher bereit ist, für das Produkt oder den Service zu zahlen. Gerade bei digitalen Produkten und Services, sowie deren Geschäfts- bzw. Erlösmodellen gelten andere Gewichtungen bzgl. der Preisfindung. Das Thema „Nutzenbetrachtung“ steht weitaus stärker im Vordergrund als interne Kosten oder die Wettbewerbsorientierung, Stichwort „Value Based Pricing“.

Das Problem wirklich begreifen

„Aber eine neue Technologie bietet doch viele Möglichkeiten und sieht sexy aus, da kann es doch nicht so schwer sein eine (monetär!) erfolgreiche Lösung an den Markt zu bringen… oder?!“

Um diese Frage zu beantworten und die Situation rund um die Nutzerzentrierung auch im B2B-Kontext greifbar zu machen, betrachten wir eine klassische Problemformulierung: den gerne zitierten Maschinenausfall. Ist das eigentliche Problem wirklich der Ausfall von Maschinen?* Oder ist es vielmehr der unbemerkte Ausfall der Maschinen? Oder etwa die zeitaufwändige Suche und Information an die verantwortlichen Techniker im Falle eines Ausfalls?

Aus diesen drei Ausprägungen der oberflächlichen Problemformulierung „Maschinenausfall“ resultieren nicht nur drei unterschiedliche Probleme, sondern auch drei unterschiedliche Lösungsansätze:

 

  • Problem: Maschinenausfall
    Lösungsansatz: robustere Auslegung der mechanischen Bauteile und moderne Predictive-Maintenance-Ansätze
  • Problem: Unbemerkter Maschinenausfall
    Lösungsansatz: Dashboard mit Alarmingfunktion für den Maschinenleitstand
  • Problem: Fehlende Verantwortlichkeiten bzw. Information der Verantwortlichen
    Lösungsansatz: direkte SMS-Benachrichtigung an die verantwortlichen Techniker im Falle eines Ausfalls

 

Das Beispiel zeigt: Sofern der Kunde ein Problem mit der fehlenden Verantwortlichkeit im Falle eines Ausfalls hat, wird er kein Geld für ein visuell attraktives Monitoring-Dashboard zahlen. Denn die Funktion der SMS-Benachrichtigung der Techniker, die ihm einen wirklichen Mehrwert verschafft, fehlt an dieser Stelle.

Dieses tiefere Wissen um das Problem gibt dem Anbieter also sowohl eine bessere Information über die echte Herausforderung seiner Kunden und Nutzer, als auch darüber, ob er das Problem überhaupt lösen kann oder ob es sich außerhalb seiner Fähigkeiten oder strategischen Pläne befindet.

Deutlich wird: Da sich durch den Einsatz neuer Technologien beliebige Lösungsansätze für unterschiedliche Herausforderungen und Wünsche von Nutzern realisieren lassen, ist die sich aus der obigen Fragestellung ergebende Antwort einfach: Unternehmen müssen Kunden, Nutzer und deren Herausforderungen wirklich im Detail kennen. Erst dann werden sie eine monetär erfolgreiche Lösung entwickeln können.

Um das Beispiel um ein weiteres Gedankenexperiment zu erweitern: Denken Sie einfach an den letzten ERP-Anbieter, der Ihnen eine technisch hochentwickelte Lösung präsentiert hat. Häufig ist die Lösung am attraktivsten, die Ihre Prozesse und Bedürfnisse am besten abbildet und von der Sie sich am besten verstanden fühlen – nicht die, die die meisten technologischen Features bietet.

Empathie: Den Nutzer wirklich verstehen

Um den eigenen Nutzer also wirklich zu verstehen und seine Probleme dementsprechend erkennen und benennen zu können, gibt es im Design Thinking die Phasen des Verstehens, Beobachtens und des Definierens der Sichtweise. Diese Phasen lassen sich sehr gut mit „Empathie entwickeln“ abkürzen und werden leider viel zu häufig als lästig oder unnütz und zeitaufwändig angesehen – meint man doch schon aus der Erfahrung heraus ganz genau zu wissen, was der Kunde will. Diese Phasen sorgen jedoch dafür, dass Unternehmen ihre Kunden und Nutzer weitaus besser verstehen und Produkte und Services bauen können, die wirklich bezahlt werden. Der initiale Zeitaufwand der Empathiephase verkürzt nicht nur den „Korrekturaufwand“, der aus falschen Lösungen entsteht, sondern minimiert die Wahrscheinlichkeit einer kompletten „Innovationshavarie“ und erhöht außerdem die Kundenbindung. In diesem Kontext lassen sich die Worte eines unserer Kunden zitieren:

„Die dankbarsten und treuesten Kunden sind die, die sich wirklich verstanden fühlen.“

Neben der Empfehlung (endlich wieder?!) stärker auf das Nutzerverständnis zu schauen, möchte ich ein Buch empfehlen. Ein „Klassiker“ der modernen Innovations- bzw. Lean-Start-Up-Literatur ist das Buch „The Mom Test“. Warum ich an dieser Stelle auf dieses Buch verweise: Es zeigt genau das Problem zwischen technologieverliebter- und nutzerverliebter Entwicklung auf, hebt die Gefahren hervor, die aus ersterer entstehen, und wie man diese durch gezielte Fragen und deren korrekte Interpretation umgeht. Es ist außerdem ein sehr anwendungsorientiertes Buch, das dem technologieverliebten Leser nicht nur einmal den Spiegel vorhält und ihn so sicherlich zum Schmunzeln bringt.

Sollten Sie also Unterstützung dabei benötigen, nutzenorientierte IoT-Lösungen für Ihre potenziellen Kunden zu entwickeln kommen Sie auf uns zu! Wir bieten nicht nur eine flexible und industriell erprobte IoT-Cloud-Lösung und die Entwicklung modernster Machine-Learning- und Predicitive Maintenance-Lösungen an, sondern beraten und begleiten Sie auch umfassend auf dem Weg dahin.

 

*[Natürlich ist dies das Kernproblem, doch wollen wir uns kurz von der Vorstellung ständig verfügbarer Maschinen lösen, sei dies durch mechanische Robustheit, oder perfekte Predicitive-Maintenance-Algorithmen. Auch wenn dies der Fall wäre, gäbe es in der nahen Zukunft weiterhin Kunden, die den Preis für diese Lösungen nicht zahlen wollen oder können, wie z. B. kleine und mittlere Unternehmen. Auch hier: Stichwort Zielgruppe und deren Bedürfnisse.]

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Phil Hermanski ist IoT Consultant bei der com2m

Phil Hermanski ist IoT-Solution-Consultant bei der com2m.

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